Vor dem Brexit

Was und wer die Stimmung macht

- 22.06.2016

In einem für Europa ungewöhnlichen Anflug von direkter Demokratie dürfen die Briten am Donnerstag über ihren Verbleib in der EU abstimmen. Die nervösen Reaktionen der Märkte auf steigende Brexit-Wahrscheinlichkeiten vergangene Woche und die Horror-Szenarios einiger Analysten waren eine deutliche Warnung an die isolationsbefürwortenden Insulaner: „Geht Ihr raus, geht es abwärts!“ Starinvestor und Milliardär George Soros warnte am Dienstag sogar vor einem Börsencrash vom Ausmaß des berüchtigten Schwarzen Freitags.

Nach meiner Einschätzung soll diese „Panikmache“ wohl eher das Wahlergebnis zugunsten des erwünschten EU-Verbleibes beeinflussen, als dass ihr ernst zu nehmende Analysen zugrunde liegen. Ein Brexit in einem stabilen Umfeld würde die Beteiligten vor absolut lösbare Probleme stellen. Sollte es in Folge eines Brexit zu nennenswerten Einbrüchen kommen, dann aufgrund langjähriger und struktureller Fehlentwicklungen. Die überdurchschnittlich hohen Bewertungen an den Märkten passen einfach nicht mehr zu der mäßigen bis schlechten realwirtschaftlichen Entwicklung und den sich ständig ausweitenden, unkalkulierbaren Risiken. Es ist diese Kombination, die aktuell die Märkte völlig zu recht verunsichert und ein solches Referendum tatsächlich zum „Zünglein an der Waage“ werden lassen könnte. Es wäre allerdings nur eines von vielen möglichen Ereignissen, welches das Fass zum überlaufen bringt. Mit Sicherheit wäre es nicht die zu Grunde liegende Ursache, wie uns die einseitige Berichterstattung glauben macht.

Ein Blick auf die katastrophalen Aktienkursentwicklungen der großen europäischen Banken liefert mehr als nur den Verdacht, wo wiedermal das eigentliche Problem im System liegt. Nicht nur, dass das Geschäftsmodell der Geldhäuser im Niedrigzinsumfeld kaum noch tragfähig ist: Das zu geringe Eigenkapital wird, wie in der Finanzkrise, durch einen wachsenden Bestand an faulen Krediten bedroht. Italiens Banken befinden sich mit notleidenden Krediten an den Privatsektor in Höhe von fast 20% des Bruttoinlandsproduktes bereits mitten in einer ausgewachsenen Krise. Das auffällige Schweigen der Medien zu diesem Thema sollte uns Anleger nur noch misstrauischer werden lassen. Wundern Sie sich also nicht, wenn dieses oder ein beliebiges anderes „Schockereignis“ als Rechtfertigung für die nächste große Bankenrettung mit Milliarden frisch gedruckter Euros herangezogen wird.

Eines lässt sich jedenfalls hervorragend anhand der Brexit-Achterbahnfahrt an den Märkten verdeutlichen: In der eigentlich so rationalen Finanzwelt, die Ihre Entscheidungen auf Basis finanzmathematischer Modelle und wissenschaftlicher Theorien treffen sollte, hat etwas so ungreifbar diffuses wie die Stimmung eine auffallend gewichtige Rolle. Natürlich sind es in der Regel nicht die langfristig orientierten „Value-Investoren“ die ihre Anlageentscheidungen nach solchen „Stimmungsschwankungen“ ausrichten, sondern eher die kurzfristig gewinnorientierten Spekulanten, die versuchen die Auswirkungen jeder Neuigkeit frühzeitig abzuschätzen um davon zu profitieren.

Auch der Goldpreis wurde in den letzten Wochen wiederholt das Opfer dieser „manisch-depressiven“ Spekulanten und verzeichnete Sprünge von bis zu 3 % innerhalb eines einzigen Tages. Doch neben diesen unvorhersehbaren „Spekulationsschüben“ im Sog der „Brexit-Hysterie“ hat sich fast unbemerkt die viel wichtigere und vor allem langfristig wirkende Stimmung - das sogenannte „Sentiment“ - am Goldmarkt spürbar gedreht. Gute Gründe für einen nachhaltigen Anstieg der Kurse gab es auch schon in den vergangen 3 Jahren, doch war eben dieses so wichtige und schwer fassbare Sentiment wortwörtlich im Keller und verhinderte ein Durchbrechen des mehrjährigen Abwärtstrends.

Aus dieser Leidenszeit konnte sich Gold dank der einbrechenden Börsen am Jahresanfang eindrucksvoll befreien und seinem Ruf als sicherer Hafen damit wieder einmal gerecht werden. Vergangen Donnerstag erklomm der Kurs sogar ein neues 22 Monatshoch, was die Bodenbildung und Trendumkehr seit Dezember erneut bestätigt hat. Auf solche Trends springen dann die Investoren und Medien gerne auf, was die Stimmung wesentlich erhellt und den Trend nochmals verstärken kann.

Wenn Investment-Gurus wie oben erwähnter George Soros oder Carl Icahn zuletzt offen verkünden, dass Sie eine große Crashgefahr an den Aktienmärkten sehen und vermehrt in Gold umschichten, dann darf man getrost von einem positiven Sentiment für das Edelmetall sprechen. Ebenso passt es ins Bild, dass die Federal Reserve ihre lang angekündigte Zinserhöhung aufgrund schlechter Wirtschaftsdaten erneut ins Ungewisse verschoben hat. Auch die vermehrten Berichte in den Medien – zuletzt warb sogar die BILD für Gold – sprechen eine eindeutige Sprache: Gold ist zurück!

Trotz der satten Gewinne seit Jahresbeginn dürften wir gerade erst am Anfang eines „goldenen Zeitalters“ stehen. Die Zentralbanken dieser Welt lassen überhaupt keinen Zweifel daran, dass Sie dem deflationären Druck all der ungedeckten Schulden mit der inflationären Schaffung ungedeckten Geldes begegnen werden. Bis der Goldpreis diese Vervielfachung der Geldmenge widerspiegelt, kann daher von Euphorie und Übertreibung noch lange nicht die Rede sein.

In diesem Sinne bewahren Sie sich stets Ihre gute Stimmung, Brexit hin oder her.

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GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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