Der Markt ist noch sehr jung

Bitcoin, Ethereum und die Blockchain - die stille Revolution

- 31.08.2017

Der technologische Fortschritt ist die Hauptantriebsfeder für die Verbesserung unserer Lebensumstände, weit mehr als Politik und Wirtschaftswissenschaften zusammen. Ähnlich wie es den frühen Zweiflern am Automobil oder den Computern ging, könnte es möglicherweise schon in naher Zukunft denjenigen ergehen, die den aktuellen Hype um die Kryptowährungen - von denen der Bitcoin vorerst die bekannteste ist – und vor allem die dahinter stehende Technologie, die Blockchain, vorschnell als kurzlebige Investmentblase oder gar als Schneeballsystem abtun. Im heutigen Artikel will ich Ihnen meine bisherigen Erkenntnisse hierzu zusammenfassen und erläutern, warum ich mir von dieser Entwicklung sogar eine positive Auswirkung auf die Edelmetallpreise erwarte.

Zugegeben, ein Blick auf die beeindruckende Wertentwicklung von Bitcoin und co ist für Anleger allem voran erst einmal eines: Abschreckend! Und es wäre bei mehreren hundert bis tausenden Prozent Wertsteigerung in wenigen Monaten mehr als vermessen, extreme Korrekturen auszuschließen. Ich gehe sogar davon aus, dass eine Mehrzahl der derzeit hoch-spekulierten Blockchain-Start-ups in wenigen Jahren wieder in dem digitalen Nirvana verschwunden sein werden, aus dem sie gekommen sind. Von einer Anlageempfehlung kann daher keine Rede sein, es sei denn sie gehören zu den wenigen Begabten, die in der Lage sind die technischen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ethereum, Dashcoin, Litecoin, Ripple und den unzähligen weiteren Alternativen („Alt-coins“) zum Bitcoin zu verstehen und zu bewerten.

Der Markt ist noch sehr jung und (noch) fast vollständig unreguliert, was eine vergleichbare Entwicklung wie beim Onlinehandel hin zu vielen relativ kleinen Spezialisten und einigen dominanten Generalisten erwarten lässt. Unzählige Startups werden dabei auf der Strecke bleiben, aber die Technologie, welche ich Ihnen gleich vorstellen möchte, ist unumkehrbar sowie global verbreitet und sie hat das Potential die Welt weitreichend (und hoffentlich auch nur zum Positiven) zu verändern. Leider ist sie ebenso kompliziert wie genial, aber ich versuche mich auf das Wesentliche sowie eine Minimum an Fachvokabular zu beschränken:

Die Blockchain ist im Grunde nichts anderes als eine dezentrale Datenbank, welche es ihren Anwendern ermöglicht, sichere Transaktionen direkt miteinander (Peer to peer) durchzuführen - ohne dass dazu eine zentrale Institution oder ein Dritter benötigt wird. Alle erledigten Transaktionen werden dabei chronologisch in Blöcken (Blockchain= Block-Kette) zusammengefasst und abgespeichert, indem ein im ganzen Internet verteiltes Netzwerk sogenannter „Miner“ mithilfe immenser Rechenleistung kompliziert verschlüsselte (kryptografische) Codes errechnet. Diese „Hashs“ bilden immer eine eindeutige Prüfsumme aus allen vorherigen Blocken und den neu hinzugefügten Transaktionen, so dass auch nur ein einziges nachträglich verändertes Zeichen in den Daten der gesamten Kette zu einem vollständig anderen Hash und damit zu einer vom Netzwerk nicht anerkannten Prüfsumme führen muss.

Der oder die anonymen Bitcoin-Entwickler, haben dabei durch einen neuartigen Konsensmechanismus (proof of work) das wesentliche Problem gelöst, wie sich solche führungslosen dezentralen Netzwerke auf immer nur einen gültigen nächsten Block einigen und so vor Fehlern und Manipulationen schützen können. Die technischen Details erspare ich Ihnen an dieser Stelle lieber. Das seit neun Jahren nahezu störungsfreie Funktionieren des Bitcoin sowie das exponentiell wachsende Interesse aus digitaler Community, Wirtschaft und mittlerweile sogar Staaten für die Blockchain wird uns „analogen Steinzeitmenschen“ vorerst als Beweis der Praxistauglichkeit reichen müssen.

Worin liegt jetzt also die revolutionäre Sprengkraft? Wir sprechen vom ersten vertrauenswürdigen rein digitalen und dezentralen Geld! Der Bitcoin und andere Kryptowährungen erfüllen die Geld-Funktionen als Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit zumindest in der Theorie ebenso gut und in entscheidenden Punkten eben sogar deutlich besser als das bisher alternativlose gesetzliche Geld. Als Gold-Interessierte und Leser meiner Artikel sind Sie sich vermutlich schon im Klaren darüber, wie dringend wir eine Alternative zu diesen antiquierten, extrem krisenanfälligen und inflationären Kreditgeldsystemen brauchen, die in einer Zeit vor dem Internet ohne demokratische Beteiligung von elitären Kreisen aus Banken und Politik etabliert wurden und diesen bis heute in zunehmendem Maße und auf Kosten der Allgemeinheit dienen.

Wie Buch- und Bargeld kann man die Token (digitale Münzen) entweder online, auf dem Smartphone oder sogar vollständig offline (z.B. USB-Stick) in digitalen Brieftaschen (Wallets) aufbewahren, auf die nur der Besitzer mit seinem privaten Kennwort zugreifen kann. Transaktionen können kostengünstig, einfach, sicher und unwiderruflich binnen weniger Augenblicke über den gesamten Globus von einem Benutzer zum anderen durchgeführt werden und - jetzt kommt der wahre „game-changer“ - benötigen keine Bank für die Durchführung. Damit können endlich auch die ca. zwei Milliarden Menschen ohne Bankverbindung an der Weltwirtschaft teilhaben und die politische Macht der Großbanken könnte schwere Rückschläge erfahren.

Im Grunde ist ein Bitcoin-Zahlvorgang vergleichbar mit der Übergabe von Gold aus einer Hand in die andere, nur dass die Tauschpartner nicht am gleichen Ort sein müssen. Die Zahlungsmittelfunktion wird daher durch die Kryptowährungen in unserer vernetzten Welt ungleich besser erfüllt. Die Besitzer sind quasi ihre eigene Bank und müssen ihre Werte damit nicht mehr vielfach gehebelten Finanzinstituten anvertrauen, die eigene Interessen verfolgen indem sie das Geld ihrer Kunden riskant investieren oder verleihen und im Krisenfall den Zugriff auf die eigenen Gelder verwehren und schlimmstenfalls mitsamt ihrer Kundeneinlagen Pleite gehen können. Solange es das Internet und ausreichend Teilnehmer gibt, kann man immer über sein digitales Geld verfügen.

Die erkennbaren Parallelen zu den Edelmetallen sind nicht zufällig. Geschickter Weise imitiert der Bitcoin auch noch ihre natürliche Knappheit, indem er von vornherein auf 21 Millionen Einheiten begrenzt wurde, was ihn wie Gold zum überlegenen Wertspeicher gegenüber den beliebig vermehrbaren Euros und Dollars dieser Welt macht. Vorausgesetzt natürlich er kann sich gegenüber den unzähligen Konkurrenten behaupten und die Nachfrage kontinuierlich erhöhen. Ein für Anleger absolut kritischer Aspekt bei dem Gold und Silber einen über Jahrtausende währenden Vorsprung haben. Der Bitcoin hat als Erster und Größter mit Sicherheit gute Startvoraussetzungen, aber der Vergleich hinkt eh aufgrund der ungleich höheren Wertschwankungen und Risiken.

Ebenfalls wie beim Gold versprechen viele dieser Online-Währungen bei richtiger Anwendung ein hohes Maß an Privatsphäre bis hin zur vollständigen Anonymität. Dem Netzwerk ist immer nur die öffentliche Adresse und der Inhalt eines Wallet bekannt, nicht aber der Besitzer. Das schützt natürlich vor staatlicher Willkür, öffnet aber gleichzeitig Geldwäschern, Kriminellen und Kapitalflüchtigen Tür und Tor. Als hätte die Gefährdung der Währungsmonopols der Zentralbanken noch nicht gereicht, geraten sie damit noch mehr in das Visier der Staaten.

Die schwebende Gefahr staatlicher Regulierung oder Verbote war anfangs für mich der Hauptgrund dafür, diese Technologie als chancenlos abzutun. Ich war mir sicher, das keine ernstzunehmende Konkurrenz zu den mühselig installierten Schuldgeldsystemen geduldet werden würde. Bis vor Kurzem jedenfalls, als (nach einer ganzen Reihe namhafter Unternehmen) ausgerechnet das westlich geprägte Japan den Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptierte und weitere Staaten dies öffentlich erwägen. Möglicherweise hat die Regierung erkannt, dass sie Bitcoin und co aufgrund der dezentralen Struktur nicht ohne eine kaum durchzusetzende Kontrolle des Internets verbieten können und versuchen daher über öffentliche Regulierung wenigstens einen gewissen Grad an Einfluss zu behalten.

Vielleicht ist es auch eine Reaktion auf den Druck der geo- und währungspolitischen Gegenspieler des Westens, Russland und China, wo bereits in der Wirtschaft immense Mining-Kapazitäten aufgebaut wurden und jetzt politisch gestützt noch wesentlich ausgebaut werden. Beide Regierungen haben bereits angekündigt, an einer eigenen staatlichen Kryptowährung zu arbeiten. Putin hat sich zuletzt mit Vitali Buterin einem der Gründer von Ethereum (der zweit wertvollsten Kryptowährung) getroffen. Das Motiv ist vermutlich das gleiche aus dem sie seit Jahren Tonnen von Gold ansammeln: Unabhängigkeit vom US-Dollar.

Getreu dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ könnte diese offene Rückendeckung für die Kryptowährungen ein weiterer, möglicherweise sogar der entscheidende Spielzug sein, um den (Trump-)geschwächten König Dollar von seinem Thron zu stürzen. Hiermit begründe ich meine anfangs formulierte These, nach der auch Gold und Silber von der digitalen Währungs-Revolution profitieren können. Die Welt kann und wird sich bei einer überfälligen Umstellung des überschuldeten Weltwährungssystems unter hegemonialer Führung des US Dollars nicht allein auf eine 10 Jahre alte Technologie verlassen. Hinzu kommt, dass mit Sicherheit der ein oder andere Krypto-Spekulant einen Teil seiner fantastischen Gewinne ins alt bewährte Edelmetall umschichten wird – sicher ist sicher.

Doch es wäre falsch, die Blockchain-Revolution nur auf die Geldfunktion zu beschränken, denn die oben erläuterten sicheren Transaktionen können alles Mögliche, nicht nur digitale Token, beinhalten. Stellen Sie sich einen Immobilienverkauf vollständig ohne Makler, möglicherweise sogar ohne Notar vor und Sie haben eine grobe Vorstellung davon, welche Effizienzgewinne und gleichzeitig radikalen Veränderungen die Blockchain für die Gesellschaft in Aussicht stellt. Ethereum ist hier der aufstrebende Platzhirsch und hat sich im Gegensatz zum Bitcoin als Plattform aufgestellt, die jedem Interessierten sein etabliertes Blockchain-Netzwerk für eigene Anwendungen zur Verfügung stellt.

Im Grunde können alle gesellschaftlichen Funktionen, für die bisher ein Mittelsmann benötigt wurde, zukünftig direkt zwischen den Beteiligten durchgeführt werden. Ethereum bietet zudem „Smart Contracts“ an. Das sind Verträge die sich selber automatisiert ausführen, sobald vorprogrammierte Bedingungen erfüllt wurden. Ein sinngemäßes Beispiel: „Wenn überschüssiger Solarstrom anfällt, verkaufe automatisch an den dann meist bietenden Anbieter der Strombörsen ABC und XYZ“. Fintechs, Depotbanken, Händler, Börsen, Treuhänder, Versicherungen, Logistiker uvm. haben damit begonnen, eigene Bockchain-Lösungen zu entwickeln und die großen IT-Dienstleister wie Microsoft und IBM versuchen sich bereits als Plattformentwickler zu etablieren.

Selbst Regierungen, wie aktuell die USA scheinen die Zeichen der Zeit zu erkannt zu haben und überprüfen die Möglichkeiten von Effizienzsteigerung in Ihren Behörden. Eine Dezentralisierung wäre gerade im Staatswesen sehr wünschenswert und würde regionale Autonomie fördern. Vielleicht ermächtigt die Blockchain die Menschen sogar dazu, einige staatliche Funktionen selber in die Hand zu nehmen. Aber hier liegen Wunsch und Wirklichkeit leider noch sehr weit auseinander. Ich befürchte im öffentlichen Bereich und vor allem bei den Währungen sogar den Einsatz von zentralistischen und nicht-privaten Blockchains. Eine digitale gesetzliche Währung, die ohne Mengenbegrenzung aus dem Nichts geschaffen werden kann, Steuern via Smart Contract im Moment der Transaktion abführt und alles personalisiert für immer speichert. George Orwell hätte dieser beängstigenden Vision eines totalen monetären Kontrollstaates sicherlich ein eigenes Buch gewidmet.

Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich der vorprogrammierte Konflikt im Internet zwischen Idealisten und Regierungen, dezentral und zentral sowie privat und öffentlich entscheidet. Sicher ist nur jetzt schon, dass diese neue Technologie unser aller Leben auf die ein oder andere Weise verändern wird. Ich befürchte, sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. Aber hoffen wir das Beste, denn schließlich ist „Nichts auf der Welt“ [ ] „mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“ (Victor Hugo).

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GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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